Essstörungen sind so vielfältig und komplex wie die Menschen selbst und können von einem Extrem ins andere reichen. Jahrelang war das Leben von Frau A. und Frau B. von negativen Gefühlen dem Essen gegenüber geprägt – bis sie schliesslich am Kantonsspital St.Gallen die passende Anlaufstelle gefunden haben.
Für Betroffene von Essstörungen, insbesondere bei schweren Formen von Anorexia nervosa (BMI unter 14 kg/m² und instabile somatische Parameter) gibt es in der Schweiz kaum geeignete Komplexbehandlungen, bei denen die Krankheit ganzheitlich betrachtet wird.
Am Kantonsspital St.Gallen wurde ein integratives Behandlungskonzept entwickelt. In interdisziplinärer und interprofessioneller Zusammenarbeit werden schwer anorektische Patientinnen und Patienten ganzheitlich behandelt.
Seit Dezember 2021 befindet sich Frau A. wegen Anorexia nervosa und einer Sport-/Bewegungssucht am Kantonsspital St.Gallen in Therapie. Die Krankheit begleitet sie schon seit ihrer Jugend und hat sich auch auf Beziehungen in ihrem Leben ausgewirkt: Frau A. litt in dieser Hinsicht jahrelang unter Problemen und wurde von krankhaften Stimmen und Gedanken geplagt, bis ihr schliesslich von ihrer Krankenkasse die Therapie am Kantonsspital St.Gallen empfohlen wurde.
«Ich hatte das Gefühl, nichts mehr richtig geniessen zu können, und fand keine Ruhe, war ständig angespannt.»
Dank der integrativen Behandlung ihrer Essstörung kann sie heute nicht nur äusserlich erste Erfolge feiern: «Bei der speziell auf mich zugeschnittenen Therapie habe ich zugenommen und bin wieder gelassener geworden, das sagt auch mein Ehemann. Ich bin offener und habe eine veränderte Körperwahrnehmung. Es ist nie zu spät für eine Behandlung und ich bin sehr froh, diese Therapie hier begonnen zu haben.»
Im europäischen Vergleich kommen Essstörungen in der Schweiz überdurchschnittlich oft vor: 3,5 Prozent der Schweizer Bevölkerung hat eine Essstörung oder hat bereits schon einmal daran gelitten. Mit 5,3 Prozent sind Frauen deutlich häufiger betroffen als Männer (1,5 Prozent).
In der Klinik für Psychosomatik und Konsiliarpsychiatrie sind die Zahlen der Patientinnen und Patienten mit Essstörungen in den letzten Jahren stetig gestiegen.
Übergewichtige leiden unter einer Reihe von physischen Symptomen, die sich negativ auf die gesamte Lebensqualität auswirken. Übergewicht führt jedoch oft auch zu starkem psychischem Unwohlsein, was weitere gesundheitliche Beeinträchtigungen zur Folge hat.
Die 31-Jährige Frau B. hatte jahrelang eine gestörte Beziehung zum Essen. Schon ihr halbes Leben lang litt sie an Adipositas. Mit 16 Jahren erhielt sie erstmals die Diagnose Depression. Diäten und Essanfälle mit anschliessendem Erbrechen wechselten sich ab.
«Alles wurde immer auf mein Gewicht geschoben.»
«Ich habe über das Essen vor allem unangenehme Gefühle reguliert. Von Ärztinnen und Ärzten wurde ich nie wirklich ernst genommen, als ich Beschwerden hatte, und oft wurde ich gar nicht richtig untersucht. Alles wurde einfach immer auf mein Gewicht geschoben», erklärt Frau B.
Als sich ihr Essverhalten im ersten Lockdown 2020 zunehmend verschlechterte, entschied sich Frau B., es erstmals auf allen Ebenen zu versuchen: «Ich wusste, dass ich nicht nur an meiner Ernährung arbeiten und abnehmen muss, sondern auch mental wieder gesund werden muss.»
«Heute mache ich sogar regelmässig Kraftsport mit meinem Mann.»
Im Ostschweizer Adipositaszentrum konnte Frau B. wieder Vertrauen zu Ärztinnen und Ärzten aufbauen. Dank medikamentöser Behandlung, einer Verhaltenstherapie, Medizinischer Trainingstherapie (MTT) und der Hilfe der Ernährungsberatung konnte Frau B. rasch Gewicht verlieren und neue Lebenskraft schöpfen: «Die Gewichtsreduktion hat mir auch mental geholfen. Ich versuche mehr Dinge umzusetzen, die mir guttun – mittlerweile mache ich sogar regelmässig Kraftsport mit meinem Mann.»
In der Schweiz sind aktuell rund 42 % der Erwachsenen übergewichtig, davon sind 11 % adipös. Bei Kindern und Jugendlichen sind rund 15 % übergewichtig bis adipös.
Die Klinik für Psychosomatik und Konsiliarpsychiatrie begleitet Übergewichtige und Adipöse bei konservativen Therapien. Ebenso übernimmt sie die psychosomatischen Abklärungen, die vor bariatrischen Operationen durchgeführt werden.