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Zertifiziertes Schlaganfallzentrum auf Spitzenniveau

Das Stroke Center am Kantonsspital St.Gallen bietet eine hochspezialisierte Versorgung für Patientinnen und Patienten mit Schlaganfall: von der Akutphase im Notfallzentrum über die Behandlung und Rehabilitation bis hin zur ambulanten Nachsorge und Rückfallprophylaxe.

Im Gespräch mit Prof. Dr. Gian Marco De Marchis. Er ist seit März 2023 Chefarzt in der Klinik für Neurologie und Leiter des Stroke Centers am
Kantonsspital St.Gallen.

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Gian Marco De Marchis, mit welchen Behandlungen arbeitet das Stroke Center in der Akutversorgung?

Auf der Notfallstation arbeiten wir mit der intravenösen Thrombolyse sowie der endovaskulären Behandlung. Das Zeitfenster für die intravenöse Thrombolyse beträgt viereinhalb Stunden, kann aber bis auf neun Stunden erweitert werden, je nach Befund in der zerebralen Bildgebung. Die endovaskuläre Behandlung bieten die Kolleginnen und Kollegen der interventionellen Neuroradiologie an. Hier beträgt die Rekanalisationsrate 80 Prozent und das Zeitfenster der Behandlung kann in ausgewählten Fällen bis auf 24 Stunden nach Symptombeginn erweitert werden.

Intrazerebrale Blutungen waren lange ein Bereich mit wenig Behandlungsoptionen. Neueste Studienergebnisse zeigen nun aber, dass ein frühzeitiger minimalinvasiver Eingriff mit Ausräumung des Hämatoms die klinischen Outcomes deutlich verbessern kann. Diese hoch spezialisierte Behandlung führen die Kolleginnen und Kollegen der Neurochirurgie durch. Bei allen Behandlungen gilt: je früher, desto besser. Time is Brain. Die ausgezeichnete Zusammenarbeit innerhalb des Stroke-Netzwerks der Ostschweiz erlaubt eine dichte Versorgung in der Region, auch jenseits der Kantonsgrenze. Zum Netzwerk gehören die Stroke Units Grabs, Chur, Frauenfeld und Münsterlingen.

Wie sieht es mit der Rückfallprävention aus?

Die Rückfallprävention wird immer individueller. Mit Hilfe eines Blutmarkers, dem sogenannten «MR-proANP», können wir die Wahrscheinlichkeit eines möglichen Vorhofflimmerns feststellen. Je höher der Wert, desto eher ist das Vorkommen von Vorhofflimmern wahrscheinlich. Das Monitoring mittels Langzeit-EKG hängt also stark von dessen Konzentration im Blut ab. Die Wahl der antithrombotischen Therapie sowie die Intensität der lipidsenkenden Therapie ist wiederum stark abhängig von der zugrunde liegenden Ätiologie des Schlaganfalls.

Was bedeutet das für die langfristigen Behandlungsergebnisse?

Der Schlaganfall bleibt die häufigste Ursache von Behinderungen im Erwachsenenalter. Wir haben immer noch viel Arbeit vor uns. Die Behandlungsergebnisse haben sich über die letzten Jahre aber wesentlich verbessert. Drei Monate nach dem Schlaganfall sind zwei Drittel der Patientinnen und Patienten im Alltag selbstständig, während ein Drittel behindert ist oder verstirbt (Fatalitätsrate von neun Prozent). Die Ergebnisse des Stroke Centers am KSSG liegen hier im Benchmark der anderen Stroke Center der Schweiz.

Das Stroke Center am KSSG ist mehrfach zertifiziert. Weshalb ist das wichtig?

Die Zertifizierung der Swiss Federation of Clinical Neuro-Societies (SFCNS) sowie diejenige der European Stroke Organisation (ESO) bestätigen die Erfüllung von Fallzahlen und Qualitätsstandards. Die SFCNS-Zertifizierung ist zudem Voraussetzung, um die sogenannten hochspezialisierten Leistungen über die obligatorische Krankenversicherung abrechnen dürfen. Im Jahr 2022 erhielten am KSSG 282 Menschen eine akute Rekanalisationstherapie, die durchschnittliche «Door-to-Needle»-Zeit betrug 27 Minuten. Das ist sehr effizient im Vergleich zum Benchmark aller Stroke Center.

Führt das Zentrum klinische Studien oder Forschungsprojekte im Bereich der Schlaganfallbehandlung oder -prävention durch?

Wir sind stark involviert in der patientenorientierten Forschung. Aktuell führen wir mit Unterstützung des Schweizerischen Nationalfonds eine prospektive Kohortenstudie bei Patientinnen und Patienten mit einer Carotisstenose durch. In Kollaboration mit dem Fachbereich Neuroradiologie untersuchen wir die Beschaffenheit der arteriosklerotischen Plaque mit dem MRI und korrelieren diese mit der Blutkonzentration des sogenannten schlechten Cholesterins. Ziel ist, die Intensität der lipidsenkenden Therapie dem Rupturrisiko der atherosklerotischen Plaque anzupassen. Ferner beteiligen wir uns auch an Therapiestudien mit neuen Wirkstoffen. Am KSSG koordinieren wir zudem eine grössere randomisierte Studie von verschiedenen Schweizer Studienzentren. Es geht um einen neuartigen Blutverdünner bei Patientinnen und Patienten mit Schlaganfall.

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Film ab

Prof. Dr. Gian Marco De Marchis äussert sich im Kurzvideo über die Fortschritte bei der Behandlung von Schlaganfällen, die Kosten von Spitzenmedizin in einem Stroke Center sowie die Versorgungsmöglichkeiten während Spitzenzeiten.

Von der Notfallversorgung bis zur Unterstützung von Angehörigen: Was Zuweisende über das Stroke Center wissen sollten

Notfallversorgung und Transport

In einer Akutsituation muss schnell entschieden werden, ob ein Hirnschlag vorliegt. Hausärztinnen und Hausärzte sollten bei akutem Auftreten eines fokalen neurologischen Defizits den Einsatz des Rettungsdienstes veranlassen. Der Rettungsdienst schätzt mittels RACE-Score ein, ob ein Verschluss eines grossen hirnversorgenden Gefässes vorliegt, was bei ca. 25 Prozent der Fall ist. So wird die betroffene Person entweder direkt ins Stroke Center am KSSG transportiert oder es wird mit einem möglichst kurzen Stopp eine Stroke Unit angefahren. Diese gewährleisten eine 24/7-Erreichbarkeit und -Behandlung von Patientinnen und Patienten mit Hirnschlag.

Diagnostik und Bildgebung

Im Rahmen der Akutdiagnostik kommen routinemässig entweder die Computertomographie (CT) oder die Kernspintomographie (MRI) zur Anwendung. Das KSSG nutzt primär die CT, da deren Bildgebung wesentlich schneller ist als diejenige beim MRI. Dieser Zeitvorteil ist bei einem akuten Schlaganfall essentiell. Beide Verfahren erlauben die Diagnose eines Hirnschlags, die Differenzierung zwischen Ischämie und Blutung sowie den Ausschluss von relevanten Differenzialdiagnosen. Mit der CT- und der MR-Angiographie ist auch die Darstellung der supraaortalen Gefässe möglich. Mit Perfusionsmessungen sowie dem MRI gelingt eine neuroradiologische Selektion bei Präsentation bis 24 Stunden nach Symptombeginn oder bei unklarem Symptombeginn.

Akutbehandlung und Therapie

Auf der Notfallstation erlauben entsprechende Protokolle und Alarmsysteme sowie speziell geschultes Personal die priorisierte Abklärung und Behandlung. Ziel ist es, die Akuttherapie so rasch wie möglich nach Eintreffen beginnen zu können. Die Akutbehandlung erörtert Prof. Dr. Gian Marco De Marchis im Interview.

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Mittels Dopplersonographie gelingt die Abklärung und Beurteilung der Blutgefässe bzw. des Blutflusses.

Langzeitbetreuung und Vorbeugung

Besteht nach dem Hirnschlag ein alltagsrelevantes Defizit, wird in der Regel eine ambulante oder stationäre Rehabilitation durchgeführt. Ohne relevantes Defizit besteht die Möglichkeit, an einem Edukations- und Trainingsprogramm namens Neurofit teilzunehmen. Mit der Reha-, der neurovaskulären und der Sekundärpräventions-Sprechstunde wird eine systematische Nachkontrolle aller akut behandelten Patientinnen und Patienten im erwerbsfähigen Alter angeboten. Dazu gehören eine individuell angepasste medikamentöse Sekundärprophylaxe, die Unterstützung bei einem nötigen Rauchstopp, eine Kontrolle der vaskulären Risikofaktoren und deren Behandlung sowie, wenn nötig, weitere Unterstützungsangebote. Gerne können in unsere neurovaskuläre Sprechstunde Patientinnen und Patienten mit komplexen präventiven Fragestellungen zugewiesen werden.

Ressourcen für Angehörige

Betroffene und Angehörige werden sowohl in der Akutsituation als auch nach dem Spitalaufenthalt durch das pflegerische und das ärztliche Team, die Mitarbeitenden der Sozial- und Austrittsberatung sowie die therapeutischen Dienste unterstützt. Dazu gehört bei Bedarf auch die Vermittlung des Kontakts zu einer Selbsthilfeorganisation.

Das Stroke Center in Zahlen

Das Stroke Center verzeichnete in den letzten zehn Jahren eine stetige Steigerung der Anzahl Behandlungen wie auch der Fallzahlen. Bei den endovaskulären Behandlungen liegt dies an den gestiegenen Indikationen aufgrund der positiven Ergebnisse verschiedener randomisierter Studien. Gründe für die gestiegenen Fallzahlen liegen bei der höheren Lebenserwartung der Bevölkerung und der Zentralisierung von solch hochspezialisierten medizinischen Behandlungen.

* TIA: Transitorische ischämische Attacke IVT: intraven. Thrombolyse, inkl. extern begonnener IVT EVT: endovaskuläre Behandlungen

Zuweisung Stroke Center

Notfall telefonisch
144
(bei Schlaganfallsymptomen)
+41 71 494 11 11
(Dienstärztin/Dienstarzt
Neurologie verlangen)

Sprechstunde telefonisch
+41 71 494 16 57

Schriftlich
Kantonsspital St.Gallen
Stroke Center
Rorschacher Strasse 95
9007 St.Gallen
anmeldung.neurologie@kssg.ch

Zuweisung
www.kssg.ch/stroke/zuweisung

Veranstaltungen für Zuweisende

Weiterführende Informationen
www.kssg.ch/stroke

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