Bewegungsstörungen sind neurologische Erkrankungen, die eine Vielzahl von Symptomen aufweisen und weitreichende Auswirkungen auf die motorischen, kognitiven und psychosozialen Fähigkeiten der betroffenen Personen haben können. Im Ostschweizer Zentrum für Bewegungsstörungen (OZB) arbeiten verschiedene Fachrichtungen zusammen und ermöglichen eine umfassende Behandlung und Betreuung der Betroffenen.
«Jede und jeder Parkinsonbetroffene hat eine eigene Geschichte. Es ist wichtig, dass man die individuellen Symptome richtig einordnen kann, um die Therapie optimal auszurichten. Das braucht ein geübtes Auge und viel Erfahrung.»
Als Bewegungsstörungen werden neurologische Krankheiten bezeichnet, die zu unkontrollierten, unwillkürlichen und von der Norm abweichenden Bewegungen führen. Es kommt dabei zu Symptomen wie Bewegungsarmut, Zittern, Muskelverkrampfungen, Muskelzuckungen oder Gangstörungen. Die Gruppe der Bewegungsstörungen umfasst viele verschiedene, teils sehr seltene Erkranken wie genetische Syndrome. In den vergangenen Jahren gab es bedeutende Fortschritte in der Diagnose und Behandlung von Bewegungsstörungen.
Die Parkinsonerkrankung zählt zu den häufigsten neurologischen Erkrankungen weltweit und betrifft etwa ein Prozent aller über 60-Jährigen. In der Schweiz gibt es über 15’000 Betroffene. Hauptsymptome der Parkinsonerkrankung sind eine Bewegungsarmut (Bradykinese oder Akinese), eine vermehrte Steifigkeit der Muskulatur (Rigor), Zittern (Tremor) und eine typische Veränderung der Körperhaltung mit Sturzneigung (posturale Instabilität). Erste Symptome können schon circa zehn Jahre vor dem «motorischen » Beginn auftreten. Diese frühen Symptome umfassen in variabler Kombination Schlafstörungen (REM-Schlaf-Verhaltensstörung), Obstipation, Riechstörung und/oder eine Depression.
Die Diagnose kann klinisch erst dann zweifelsfrei gestellt werden, wenn motorische Symptome auftreten. Die zu Beginn unspezifischen Symptome und die noch gering ausgeprägten motorischen Symptome können die Diagnose und damit auch eine adäquate und wirksame Therapie verzögern. Patientinnen und Patienten beklagen in diesen Stadien allerdings schon eine Abnahme der Belastbarkeit und Leistungsfähigkeit, allenfalls auch mit depressiven Symptomen in Kombination mit Verdauungs- und Schlafstörungen sowie Schmerzen.
«Ich bin überzeugt, dass unser Zentrum ein herausragendes Beispiel dafür ist, wie Interdisziplinarität optimal genutzt wird, um die bestmögliche Betreuung für die Betroffenen zu gewährleisten.»
Die medikamentöse Behandlung ist in den ersten Krankheitsjahren meist sehr wirksam und vermag die Lebensqualität deutlich zu verbessern. Begleitende rehabilitative Massnahmen sind auch in diesem frühen Stadium wichtig. Im weiteren Verlauf der Erkrankungen werden motorische wie auch nichtmotorische Symptome stärker und die Medikamente wirken kürzer. Parallel dazu treten zunehmend Überbewegungen (Dyskinesien) auf. Dadurch wird die Therapie immer komplexer und die Begleitung der Patientinnen und Patienten bedarf einer höheren Interdisziplinarität. Wenn mit der oralen Therapie keine zufriedenstellende Symptomkontrolle erzielt werden kann, stehen Betroffenen zwei (invasive) Therapieansätze zur Verfügung. Diese müssen bei der Indikationsstellung sorgfältig gegeneinander abgewogen werden. Dabei müssen Betroffene behutsam an die Entscheidung zu einer invasiven Therapie herangeführt werden.
Nach der Entdeckung von Levodopa zur medikamentösen Therapie in den späten 1960er-Jahren wird die Tiefe Hirnstimulation als der zweite Meilenstein in der Therapie der Parkinsonkrankheit betrachtet. Durch die kontinuierliche elektrische Stimulation von bestimmten Hirnarealen kann auch im fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung eine deutliche Verbesserung der Parkinsonsymptome, v. a. der Fluktuationen und Dyskinesien, erreicht werden. Wichtig für den Erfolg der Therapie ist die richtige Indikationsstellung sowie ein eingespieltes interdisziplinäres und interprofessionelles Team. Die Tiefe Hirnstimulation ist Teil der Hochspezialisierten Medizin (HSM) und wird am KSSG seit 2006 erfolgreich durchgeführt.
Alternativen zur Tiefen Hirnstimulation sind die Pumpentherapien. Damit können die erforderlichen dopaminergen Medikamente kontinuierlich subkutan oder direkt in den Darm abgegeben werden und führen so zu einer deutlichen Verbesserung der Fluktuationen.
Tremor ist ein häufiges Symptom und kann durch viele zugrunde liegende Krankheiten bedingt sein. Entsprechend ist es wichtig, dass die Ursache geklärt wird und die Therapiemöglichkeiten mit der Patientin oder dem Patienten besprochen werden. Auch ein «harmloses» Zittern wie der Essentielle Tremor kann die Lebensqualität stark einschränken. Bei weniger ausgeprägtem Zittern kann den Betroffenen mit Medikamenten geholfen werden. Wenn das Zittern zu einem sozialen Rückzug führt und Betroffene im Alltag einschränkt, reicht die medikamentöse Therapie häufig nicht mehr. Ein stereotaktischer Eingriff (z. B. Tiefe Hirnstimulation) sollte dann mit den Betroffenen besprochen werden, da er das Zittern äusserst effektiv reduziert.
«Durch die gezielte und individuell angepasste Behandlung mit Botulinumtoxin können unangenehme und behindernde Dystonie- Beschwerden bei 60 bis 80% der Patientinnen und Patienten erfolgreich gelindert werden.»
Die Dystonie ist ebenfalls ein relativ häufiges Symptom unterschiedlichster Erkrankungen. Entsprechend ist es auch hier wichtig, dass die Ursache geklärt wird und die Therapiemöglichkeiten mit den Betroffenen besprochen werden. Medikamentöse Therapieversuche sind meist nebenwirkungsträchtig. Es stehen jedoch die Behandlung mit Botulinumtoxin und/oder die Tiefe Hirnstimulation als sehr wirksame Methoden zur Verfügung.