Dr. Susanne Bock, Oberärztin in der Klinik für Allgemein-, Viszeral-, Endokrin- und Transplantationschirurgie, leitet am KSSG die Sprechstunde für anale intraepitheliale Neoplasie (AIN), die sich der Prävention von Analkrebs widmet. Obwohl oder gerade weil es sich um ein relativ neues und spezialisiertes Fachgebiet handelt, werden ständig mehr Patientinnen und Patienten betreut, weshalb das Sprechstundenangebot per August ausgebaut wurde.
In der AIN-Sprechstunde erfolgt die Diagnostik und Therapie von Neubildungen am After. Schwerpunktmässig sind dies vor allem Veränderungen, die durch das Humane Papillomvirus (HPV) hervorgerufen werden, wie Condylome, intraepitheliale Neoplasien (AIN) bis hin zum Analkrebs. Auch andere, seltenere Neubildungen am After werden patientenspezifisch und gegebenenfalls unter Zuzug anderer Fachdisziplinen behandelt und nachgesorgt.
Für die Allgemeinbevölkerung ist die Inzidenz mit 2,3 / 100’000 nach wie vor niedrig. Besondere Risikogruppen, wie immunsupprimierte Patientinnen und Patienten, die mit dem HIV-Virus infiziert sind, oder solche mit HPV-induzierten Dysplasien des weiblichen Genitaltraktes weisen jedoch je nach Risikofaktoren eine über 40-fach erhöhte Inzidenz auf.
Zur Therapie der AIN stehen zahlreiche Möglichkeiten zur Verfügung. Diese reichen von verschiedenen Salben über ablative Therapien mit Hitze, Laser oder Kälte bis hin zur chirurgischen Exzision der Läsionen.
Hat sich die Krebsvorstufe AIN zu einem invasiven Analkrebs entwickelt, erfolgt zunächst eine Ausbreitungsdiagnostik (Staging). Die Standardtherapie beim nichtmetastasierten Krebs ist die Radiochemotherapie. Bei sehr früh entdeckten, kleinen Tumoren kann eine lokale Exzision ausreichen und die Radiochemotherapie vermieden werden. In manchen Fällen muss der Tumor inklusive des Schliessmuskels entfernt werden, was mit einem lebenslangen künstlichen Darmausgang einhergeht. Immer erfolgt die Behandlung interdisziplinär in enger Zusammenarbeit aller beteiligten Disziplinen.
Es kann von einer relativen Fünfjahresüberlebensrate von ca. 70 % ausgegangen werden. Wie bei allen Krebsarten ist diese Zahl natürlich stark vom Stadium abhängig. Sie liegt bei früh entdeckten Tumoren über 90 %. Im spät entdeckten, metastasierten Stadium sinkt sie auf knapp über 20 %.
Die Impfung wird sicher zu einem Rückgang des Analkrebses führen. Für den (häufigeren) Gebärmutterhalskrebs, der auch durch HPV verursacht wird, konnte das wissenschaftlich schon bewiesen werden. Da ein Grossteil der heute über 40-Jährigen jedoch noch nicht geimpft ist, ist zunächst mit einer weiteren Zunahme der Krebsinzidenz zu rechnen.
Die Sprechstunde wird von einem interdisziplinären Team aus erfahrenen Chirurgen und Gastroenterologen sowie der spezialisierten Pflege des Beckenbodenzentrums geführt. Wir arbeiten eng mit den Kolleginnen und Kollegen der Infektiologie und der Gynäkologie zusammen sowie je nach Bedarf mit weiteren Disziplinen. Für die Sprechstunde ist es besonders wertvoll, dass wir über die Ressourcen verfügen, die hochauflösende Anoskopie («HRA») und Lasertherapie anbieten zu können. Durch die Mitwirkung an internationalen Kongressen und länderübergreifender Forschung wird eine Behandlung auf dem neuesten Stand der Wissenschaft auf diesem sich rasch entwickelnden Gebiet sichergestellt.
Nach neuesten internationalen Guidelines empfiehlt sich eine Untersuchung bei Hochrisikopersonen wie Menschen, die mit dem HIV-Virus infiziert sind, homosexuellen Männern, Organtransplantierten oder Frauen, die unter hochgradigen HPV-assoziierten Dysplasien im Genitaltrakt leiden. Als Altersschwelle wird in der Regel 45 Jahre angegeben, bei gewissen Personen sogar 35 Jahre. Je nach individueller Risikokonstellation sollte eine Zuweisung erwogen werden. Bei allen Patientinnen und Patienten mit unklaren Hautveränderungen am After, die länger bestehen oder schnell wachsen, empfiehlt sich unbedingt eine Abklärung.